Er ist Althistoriker mit Leib und Seele. Einer, dem lateinische Texte keine Mühe, sondern Vergnügen bereiten. Einer, der das britische Oxford kennt wie seine Westentasche. Herausgeber der internationalen Zeitschrift „Historia“ und Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Familienvater, „Bücherwurm“. Und einer, der zum Erfurter Campus gehört wie Asterix zu Obelix. Für unsere Rubrik „25 Köpfe“ haben wir Prof. Dr. Kai Brodersen interviewt…
Herr Prof. Brodersen, für Sie als Alt-Historiker ist die 25 Jahre alte Universität Erfurt doch eigentlich viel zu jung – ja selbst die mittelalterliche Alma Mater Erfordensis ist es im Grunde. Was hat Sie dennoch an der Uni Erfurt gereizt, als Sie sich seinerzeit entschieden, von der Universität Mannheim in die Thüringische Landeshauptstadt zu kommen?
Erfurt ist eine großartige Stadt mit einer kleinen, aber feinen Uni! In Mannheim war ich vor dem Wechsel nach Erfurt Prorektor für Studium und Lehre und habe die Wahl in Erfurt gern angenommen. Gekommen bin ich 2008 freilich aus Oxford, wo im Gründungsjahr der ersten Universität Erfurt, 1379, schon das „New College“ errichtet wurde, da es in der Stadt bereits noch ältere akademische Institutionen gab.
Sind Ihre Vorstellungen erfüllt worden?
Ja, mehr als das: Erfurt hat sie weit übertroffen!
Gibt es ein Ereignis, ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung ist?
Die große Neugier in der Stadt auf einen Präsidenten, der in der Stadt lebt und sichtbar ist, hat mich gleich zu Beginn sehr beeindruckt – bis dahin, dass mein Umzug innerhalb der Altstadt von Erfurt mit dem Bollerwagen der Zeitung einen Bericht wert war und die arbeitsintensive, aber kollegiale und auch bei Widrigkeiten freundliche Atmosphäre auf dem Campus, im Präsidium und in der Universitätsverwaltung.
Sie haben es gerade schon gesagt: Von 2008 bis 2014 waren Sie Präsident der Uni Erfurt und entschieden sich dann, aus gesundheitlichen Gründen nicht erneut für dieses Amt zu kandidieren. Glücklicherweise sind Sie der Universität als Professor für Antike Kultur erhalten geblieben. Genießen Sie es, dass Ihnen nun wieder mehr Zeit für Ihre Forschung bleibt?
Nieren lügen nicht, wie ein alter Schlager (oder erinnere ich mich nicht ganz richtig?) festhält – die Diagnose meiner Nierenkrankheit machte die Hoffnung auf mehr zunichte. Und nach dem viel zu frühen Tod meines Kollegen Veit Rosenberger habe ich dann dessen Lehre übernommen – das bedeutet eine intensive Lehrtätigkeit, die mir aber freilich sehr große Freude macht. Aber ja, auch Forschung und/also das Bücherschreiben mache ich nach wie vor ausgesprochen gern.
Wenn Sie an der Uni Erfurt drei Dinge verändern könnten: Welche wären das?
Die Verantwortung für die Gesamtuni habe ich nicht mehr und mische mich deshalb sehr bewusst nicht in hochschulpolitische Fragen ein.
Sie sind ein großer Asterix-Kenner und haben auch ein wissenschaftliches Buch über den Comic vorgelegt. Das hat Ihnen seinerzeit auf dem Campus den Spitznamen „Broderix“ eingebracht. Was genau begeistert Sie an diesen Comics?
Es gibt wenige moderne Publikationen, die einen so großen Einfluss hatten, wenn es um die Präsenz der Antike geht. Dass die Comics – Asterix wird in diesem Jahr 60 Jahre alt! – generationenübergreifend eine stabile Fan-Gemeinde haben und eine Menge an korrekten Informationen mit Augenzwinkern vermitteln, freut einen Althistoriker sehr.
Ob antike Kräuter, Mathematik oder antike (olympische) Spiele – mit interessanten Themen locken Sie immer wieder zahlreiche Studierende in Ihre Lehrveranstaltungen. Was können wir eigentlich heute noch aus der Antike lernen?
„Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt“. Das hat Theodor Heuss gesagt und erklärt, Golgatha stehe für Frieden, die Akropolis für Demokratie und das Capitol für Rechtsordnung. Die Welt zu erforschen und zu vermitteln, in der diese Gedanken ihre Grundlage haben, ist eine wirklich lohnende Lebensaufgabe.
Für das Akademische Jahr 2019/20 wurden Sie als „Senior Fellow“ an das Wissenschaftskolleg Greifswald berufen. Was werden Sie in der „Ferne“ vermissen?
Als Nachbar des Stammhauses einer Erfurter Traditionsmetzgerei in der Altstadt selbstverständlich deren „frischer geht’s nicht“-Bratwurst (lacht).
Was tun Sie eigentlich, wenn Sie gerade nicht forschen oder lehren – woran findet der Privatmensch Kai Brodersen Spaß?
Natürlich an meiner großen Familie, die inzwischen durch das erste Enkelkind hier in Erfurt nochmal erweitert ist, und dann an der ehrenamtlichen Lehre an unserer rumänischen Erasmus-Partneruniversität in Sibiu/Hermannstad, wo ich Studierende aus ganz Osteuropa habe und wir ein junges, europafreundliches und schlichtweg begeisterndes Land erleben.